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Doppelleben: Hitlers totgesagter Top-Agent

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Der Spiegelpubliziert 11/08/2005 at 16:59 Uhr von Roman Heflik

Er war einer von Hitlers gnadenlosesten Agentenjägern: Gestapo-Offizier Horst Kopkow war verantwortlich für die Festnahme, Folterung und Tötung von Hunderten Spionen und Widerstandskämpfern. Kurz nach dem Krieg starb er - so hieß es jahrzehntelang. Neu veröffentlichte Dokumente erzählen eine andere Geschichte.

Adolf HitlerHamburg - Unter dem Punkt "Charakter" stand in Horst Kopkows SS-Personalakte: "Gefestigt, ehrgeizig, Streber." Seine nationalsozialistische Anschauung sei ebenfalls gefestigt, sein allgemeines Auftreten "den Anforderungen der SS entsprechend".

Doch Horst Kopkow war weit mehr als ein durchschnittlicher SS-Mann und überzeugter Nazi. Er war einer der schlimmsten Gegner Großbritanniens, denn als Gestapo-Mann war er für die Abwehr feindlicher Agenten in ganz Europa verantwortlich, darunter viele Briten. Wer in die Hände des SS-Standartenführers und Kriminaldirektors geriet, musste mit dem Schlimmsten rechnen: Folter, Konzentrationslager oder Tod. Er galt als so zuverlässig, dass er auch mit den Ermittlungen zum Bombenanschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 beauftragt wurde.

Nach Ende des Krieges wurde Kopkow festgenommen. Im April 1948 wurde er nach London zum Verhör gebracht. Doch leider sei der Mann schon mit Fieber in England angekommen und kurz darauf im Krankenhaus an einer Atemwegserkrankung gestorben - so die offizielle Version der britischen Behörden. Die Akte Kopkow wurde geschlossen.

In Wahrheit lebte der SS-Mann. Das beweisen Dokumente, die jahrzehntelang im britischen Nationalarchiv unter Verschluss gehalten worden waren und nun von britischen Zeitungen wie der "Times" an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Kopkow hatte sich quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen: Nach seiner Festnahme erklärte er seinen britischen Vernehmern, durch seine Jagd auf Widerstandsgruppen in Osteuropa verfüge er über wichtige Informationen über sowjetische Spionage-Aktivitäten. Diese Operationen seien auch gegen Großbritannien gerichtet. Die Briten horchten auf: Das Verhältnis zu den Sowjets verschlechterte sich ständig, nach den Nationalsozialisten schienen die Kommunisten zu einer neuen Bedrohung für Europa zu werden.

Die Argumente Kopkows überzeugten. Kurzerhand wurde der SS-Offizier für tot erklärt und mit einer neuen Identität versehen: Künftig hieß er Peter Cordes und war Manager. Im Auftrag des britischen Geheimdienstes reiste Kopkow alias Cordes durch ganz Europa. Fünf Jahre nach Kriegsende durfte er erstmals seine Familie wieder sehen. Seine wahre Identität musste vorerst verborgen bleiben, offiziell war er daher nur ein Onkel auf Familienbesuch.

Wie lange Kopkow noch für den britischen Geheimdienst MI 6 arbeitete, ist nicht bekannt. Der Nachrichtendienst selbst nimmt keine Stellung zu dem Fall, der für Großbritannien mehr als peinlich ist: Bislang hatten sich offizielle Stellen des Königreichs immer von der Praxis der amerikanischen Geheimdienste distanziert. Die US-Kollegen hatten Nazis und Kriegsverbrecher, von deren Wissen die Vereinigten Staaten profitieren konnten, ohne Zögern in ihre eigenen Dienste übernommen.

Ob Kopkow den Briten allerdings tatsächlich in der Bekämpfung kommunistischer Spione eine Hilfe war, ist nicht sicher: Einer seiner britischen Vernehmer, der Russland-Experte Kim Philby, arbeitete jahrelang unentdeckt als Doppelagent für den KGB und lief 15 Jahre nach den Gesprächen mit Kopkow in den Osten über.

1996 starb Kopkow im Alter von 85 Jahren an Lungenentzündung in Gelsenkirchen.


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