publiziert 27/03/1948 at 16:08 Uhr
Die Angeklagten harrten mit Zellenblick. Der Vorsitzende bat das Publikum, sich Beifallskundgebungen zu verkneifen. Urteil im Lübecker Zahlmeisterprozeß: Freispruch für die Gördeler-Fänger
Hellbusch und Schadwinkel.
Die Zeugin Helene Schwärzel kam zu spät, um den Freispruch für ihre einstigen Helfer zu vernehmen, doch zeitig genug, sich in der Urteilsbegründung eine Schwätzerin und Wichtigtuerin nennen zu
hören. Die kleine gelassene Frau mit dem festen Dutt war schon im vorigen Jahr wegen Denunziation Gördelers in erster Instanz zu 15 Jahren Zuchthaus, im Revisionsverfahren zu sechs Jahren
Zuchthaus verurteilt worden.
Landgerichtsrat Dr. Steingers freisprechende Worte löschten die Apathie in den Basedow-Augen des Zahlmeisters Hellbusch: Nicht die Belohnung habe die Angeklagten getrieben. Vielmehr die Sorge um
Gefahren, die ihnen Kaltenbrunner bei der 10000 RM-Scheck-Uebergabe mit einem Blick auf ihre Luftwaffenuniform bestätigt habe: "Es ist gut, daß Sie doch zugefaßt haben."
Der Buffetier Schadwinkel, der sich schon immer nur geschoben fühlte, verharrte bei der Urteilsbegründung mit zurückgeblieben-mürrischem Ausdruck in Kaninchenstellung. Schulmeister Hellbusch
dagegen nahm es mit entschlossener Forsche auf sich, charaktervoll und gebildet zu sein und sich offiziersgerecht betragen zu haben, als er den von der Schwärtzel rekognoszierten Gördeler
festnahm.
Als Staatsanwalt Philipp die Presse zur letzten Prozeß-Konferenz um sich versammelt hatte, trat Ernst Leonhard Hellbusch im abgetragenen Kradmantel in den Kreis, um der Anklage zu danken, die ihn
zu 24 Monaten Gefängnis verknackt wissen will: "Sie haben nur ihre Pflicht getan".
Vor langer Zeit waren auf der Lauenburger Polizeistation die Exzahlmeister Hellbusch und Schadwinkel mit dem Bekenntnis erschienen, sie würden gesucht. Man sperrte sie als von Helene Schwärtzel
gedungene Büttel ein. Die Militärregierung untersuchte, beide saßen mehrere Monate. Dann wurden sie entlassen.
Trotzdem machte die Staatsanwaltschaft den großen Schwurgerichtsprozeß. In den Verhören war oft und lange Hellbuschs dozierende Stimme zu hören, der sich ethisch und endlos rechtfertigte. Die Tat
zu bekennen und auch den Pfeilen gegen Schadwinkels dunkle Herzecken die eigene Weste zu bieten, machte ihm mit der Zeit Vergnügen.
Der Staatsanwalt kletterte in das Astwerk der Paragraphen. Kontrollratsgesetz Nr. 10 zum Schutze der Menschlichkeit schien ihm passend. Die Verteidigung nannte das Gesetz "Mädchen für alles in
Deutschland". Es sei damit so eine Sache aber die deutschen Juristen hätten nun mal "den Eid geschworen, sich danach zu richten."
Eidgetreu focht die Staatsanwaltschaft den Lübecker Freispruch an.
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Als Offizier - Ethisch und endlos
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