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Kaiserlicher Abbau - Majestätsbeleidigungen

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Der Spiegelpubliziert 20/12/1947 at 15:55 Uhr

Berlins Stadtväter haben ihre besonderen Demontage-Sorgen. Auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung steht die Denkmals-Debatte. Sie steht am Ende einer langen Punkte-Schlange, und die fürstlichen Militaristen erfreuen sich derweil ihres steinernen bzw. bronzenen Daseins.

Hoffmann JohannesNur die marmornen Siegesallee-Hohenzollern will man zum Tode verurteilen. Zur Exekution muß dann noch die alliierte Erlaubnis eingeholt werden. Die steht auf der Tagesordnung der Kommandantur.

Brandenburg-Preußens Herrscher flankieren heute einen unkrautüberwucherten Lehmweg vom Großen Stern zum zerbombten Gesandtschaftsviertel. Der Krieg hat die fürstliche Ahnengalerie mindestens 40 Prozent ihres Bestandes gekostet. Der demolierte Rest blickt über Grünkohlbeete hinweg in die Trümmer Berlins. Friedrich der Große starrt unversehrten Leibes zur Trikolore auf der Siegessäule empor.

Die schwersten Totalverluste hatten die Markgrafen des ausgehenden Mittelalters. Ihre Sockel sind zu Grabsteinen geworden. Bei allen Herrschaften im Tiergarten hat es Blessuren gegeben. Viele Fürstenhäupter rollten in den Sand. Albrecht der Bär aber reckt ungebrochen sein Kruzifix hoch in die Luft. Und Wilhelm I. blickt indigniert auf seinen leicht ramponierten Backenbart.

Der Betreuer der Monarchen, Professor Scheper vom Berliner Amt für Denkmalsschutz, möchte die Demontage - Frage gern vom kunsthistorischen Standpunkt aus entschieden wissen. Streng vertraulich hatte er einem DENA-Vertreter Details über die Zukunft seiner Schützlinge ausgeplaudert. Am nächsten Morgen stand das Interview in vielen Berliner Zeitungen. Der schlanke Gelehrte mit der leisen Stimme ist seitdem auch zu vertraulichen Gesprächen nicht mehr bereit.

"Die Parteien schieben die Sache nun bestimmt aufs politische Gleis", meint er. Er bangt nicht so sehr um die für kunstverständige Augen minderwertige Siegesallee. Aber auch der "Alte Fritz" Unter den Linden würde daran glauben müssen, den er wegen seines künstlerischen Wertes vorsichtshalber noch immer hinter Luftschutzmauern reiten läßt.

Das gewaltigste Standbild Berlins wird auf keinen Fall demontiert werden, ganz gleich, ob Politiker oder Kunsthistoriker entscheiden: Das Reiterstandbild "Wilhelms des Großen". Es überstand, den Krieg leidlich. Nur das kaiserliche Roß opferte ein Bein und Wilhelm I. mußte sich einige Majestätsbeleidigungen in cyrillischen Lettern gefallen lassen.

Die Riesenfigur verdankt Berlin seinem letzten König. Der zweite Wilhelm wollte den ersten ehren. Er veranstaltete einen Wettbewerb. Berlins Steuerzahler hefteten 100 000 Mark an die Siegespalme. Der Erringer, ein Herr Begas, schuf Standbilder, deren Höhe der des Preises nicht nachstand.

Wilhelm I. kann ohne Schwierigkeiten in die Fenster des dritten Stockwerks seines Schlosses sehen. Die ihn umgebenden Athleten haben ebenfalls Brekersches Format. Und darum bleiben Wilhelm und seine Getreuen trotz aller politischen Bedenken auf ihrem Sockel. Berlin muß sparen. Der kaiserliche Abbau wäre viel zu teuer.

Preußischer Totalverlust. Demolierte Historie am Großen Stern


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