publiziert 24/11/2004 at 18:04 Uhr
KZ-Arzt Josef Mengele, mitverantwortlich für den Massenmord in Auschwitz, hat bis zu seinem Tod keine Reue für seine Taten empfunden. Das geht aus Briefen
hervor, die in Brasilien zufällig gefunden wurden.
Ein zufälliger Fund wirft Licht auf einige der letzten Gedanken und Lebensumstände des SS-Arztes Josef Mengele,
der bis zu seinem Tod bei einem Badeunfall 1979 seine Gräueltaten nicht bereut hat. Der Inhalt von 85 Dokumenten des "Todesengels von Auschwitz", darunter viele Briefe und Tagebuchnotizen, die seit 1985 in den Archivschränken
der brasilianischen Bundespolizei in São Paulo vergilbten, ist jetzt in größtenteils vom Deutschen ins Portugiesische übersetzten Auszügen exklusiv von der Zeitung "Folha de São Paulo"
veröffentlicht worden. Die Echtheit der Dokumente wurde der dpa am Dienstag von der Bundespolizei bestätigt.
So geht aus ihnen etwa hervor, dass er noch 1972 mit dem Gedanken gespielt hatte, nach Deutschland zurückzukehren. "Aber wie ist heute meine Heimat? Und ist sie noch meine Heimat? Wird sie mich
nicht als Feind empfangen?", schrieb der gesuchte NS-Kriegsverbrecher.
In einem Brief an seinem österreichischen Freund Wolfgang Gerhard vom 3. September 1974 bedauert Mengele etwa,
dass eine seiner Nichten Braut eines deutschstämmigen Brasilianers sei, dessen Familie nicht mit der "Arier-Ideologie" einverstanden sei. Im Januar 1976 schreibt er in seinem Tagebuch laut
"Folha", dass er gerade die Memoiren von Hitlers Rüstungsminister Albert Speer (1905-1981) lese. Bezüglich der
Reue und der Fehler, die Speer eingesteht, schreibe Mengele dem Sinn nach: "Er hat sich erniedrigt und zeigt Reue, was bedauerlich ist."
"Andersartigkeit der Rassen" verteidigt
In einem der wenigen Briefe, von denen die Zeitung auch ein Foto von einem Stück des Originals veröffentlichte, verteidigt Mengele die "Andersartigkeit der Rassen" mit Beispielen wie: "Auch haben nicht alle Rassen bzw. Völker die gleich große
Kulturleistung vollbracht, was zu den Schluss zwingt, dass nicht alle rassisch-völkischen Gruppen gleich schöpferisch begabt sind."
In einem Text von 1969 kommentiert Mengele unter anderem in einer von der Zeitung übersetzten Passage die
"kritiklose Hinnahme der israelischen Überfälle auf Palästinenser" und bezeichnet die damalige deutsche Jugend als "entartet". Aus anderen Briefen gehe hervor, dass Mengele seine letzten Tage Ende der 70er Jahre einsam und mit finanziellen Problemen verbracht habe.
1976 notierte er: "Was soll nur geschehen? Ich fühle mich einsam zurückgelassen. Es schmerzt mehr denn je." Von seinem letzten Geld bestach Mengele Mitwisser seiner düsteren Vergangenheit, damit sie ihn nicht verrieten. "Alles im Leben hat seinen Preis",
schrieb er.
Die Papiere wurden 1985 in Wohnungen von Freunden und Bekannten Mengeles sichergestellt. Das Ziel der damaligen
Aktionen der Behörden war die Identifizierung der exhumierten Gebeine von Mengele, die unter falschem Namen auf
einem Friedhof von São Paulo lagen. Mengele führte während seiner Zeit im Konzentrationslager Auschwitz grausame medizinische Experimente an Gefangenen durch und schickte mehrere
hunderttausend Menschen in den Tod.
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Josef Mengele "Todesengel" ohne Reue
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